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Karl-Theodor zu Guttenberg. Zeit für einen knappen Rückblick.

April 18, 2011

Das Phänomen Guttenberg hat wohl viele Facetten. Einige sind direkt an seine Person gebunden, andere hingegen an das politische System, die Wähler, Unterstützer oder Gegner. Fest steht für mich zumindest mal eines: Guttenbergs Besonderheit ist es, dass er viele Menschen für Politik, bzw. auch für seine Person als Politiker interessiert. Er wirkt charmant, ist ein guter Rhetoriker, er betont seine Volksnähe, verbreitet überall den pragmatischen Eindruck, dass man als Politiker die Ärmel hochkrempeln kann und einfach mal anpacken muss. Dazu kommt zu Guttenbergs Wirkung auf die Frauenwelt,  Dr. W. Schlötterer skizzierte diese kurz und prägnant bei einer Veranstaltung zum politischen Aschermittwoch. Vielleicht ist Guttenberg, der auch auf populistische Mittel in seinem Politikstil zurückgreift, – zumindest temporär – ein Gegenkonzept zur allgegenwärtigen Politikverdrossenheit in der Bundesrepublik. Indizien dafür kann man zum Beispiel in der Welt der Social Media finden. Dort regten sich Proteste und die User (facebook dient hier als exemplarisches Beispiel) machten ihren Unmut über die Geschehnisse um Karl-Theodor Luft. Zum einen tauschten einige ihre Profilbilder gegen das Konterfei Guttenbergs ein und zum anderen bekennen sich die Stellungnehmenden weitgehend öffentlich zu folgenden Statements: „Wir wollen Guttenberg zurück“ sagen 585.235 Leute „Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg“ sprechen sich 403.686 aus, „Wir wollen Karl-Theodor zu Guttenberg zurück“ wurde 47.750 „geliked“ und 2191 User befinden „Ein Guttenberg tritt nicht zurück. Er nimmt Anlauf.“

Für diejenigen, die  damit nicht einverstanden sind, gibt es folgende Alternative: „Wir wollen Guttenberg nicht zurück“ – immerhin befindet man sich dazu in der Gesellschaft von 55.284 Gleichgesinnten. Die eigentliche Qualität solcher Meinungsbekundungen ist natürlich bis Dato noch schwierig einzuordnen, weswegen ich es als Phänomen für beachtenswert halte aber nicht davon ausgehen würde, dass es den gleichen Effekt auf politische Prozesse, wie z.B. Wahlen hätte. Da ja auch in der Welt der anderen Medien viel Wind und Meinung um den Rücktritt von zu Guttenberg „gemacht“ oder aufgefangen wurde und es in der nicht-virtuellen Welt ebenfalls viele Diskussionen, Sympathiebekundungen, groß angelegte Demonstrationen mit geringer Beteiligung und natürlich radikale Rücktrittsforderungen gab, stellt sich doch die Frage, ob das alles grundsätzlich nicht durch das Demokratieprinzip geregelt wird. Eigentlich müsste man doch davon ausgehen, dass das Volk in einer Demokratie bekommt was es will – oder? Wenn die Deutschen zu Guttenberg wieder haben wollen, dann sollten doch die Chancen trotz der innerparteilicher Hierarchie und des dazugehörigen Habitus nicht schlecht stehen?

Eine weiter Facette, die einen Blick wert ist, ist die Frage nach der Ehrlichkeit und der persönlichen Integrität der einzelnen Akteure auf der großen Bühne der Politik. Beispiele wie die Familienpolitik die der Vorzeige-Familienvater und -Ehemann Horst Seehofer so vehement vertrat und dessen Glaubwürdigkeit nur mit immensen Aufwand noch zu retten war, nachdem öffentlich bekannt wurde, dass er sich kurzerhand eine zweite Familie zugelegt hat – natürlich ohne Trauschein. Oder an diverse „Operationen“ und „Aktionen“ aus der Reihe der Altehrwürdigen: Kohl und Strauß. Das alles sind Bestandteile unserer politischen Kultur, jeder kennt viele solcher Beispiele. Insofern frage ich mich, erwarten wir ernsthaft von einem Politiker, dass er ehrlich und integer ist? Zumal die Dissertation zu Guttenbergs zwar zumindest thematisch in den Themenkomplex „Politik“ einzuordnen ist, aber im Grunde nichts mit seinem Amt als Verteidigungsminister zu tun hat. Wobei an dieser Stelle anzumerken bleibt, dass wenn er für seine Doktorarbeit wirklich auf Ressourcen des Bundestages zurückgegriffen hat, dies eine unzulässige Verquickung darstellt.

Vielleicht sind es aber gerade diese Gegebenheiten, die dazu geführt haben, dass es Karl-Theodor erstmal klüger schien sein politisches Amt niederzulegen. Michael Walzer – einer der einflussreichsten Theoretiker in Punkto Gerechtigkeit – teilt in seinem Werk Spheres of Justice unsere Lebenswelt in verschiedene Sphären ein. Gerechtigkeit hört dann auf, wenn der Erfolg oder Misserfolg den eine Person in einer Sphäre verbucht, sich auf andere Sphären auswirkt. Im Beispiel zu Guttenberg würde das bedeuten: Der wirtschaftliche Erfolg seiner Familie darf nicht der ausschlaggebende Punkt dafür sein, dass er auch in Wissenschaft oder Politik erfolgreich ist. Das ausschlaggebende Kriterium für den Erfolg seiner Dissertation kann ausschließlich seine eigene Eignung als Wissenschaftler sein, das gleiche gilt natürlich auch für die Politik. Glaubt man diversen Berichten, dann waren aber sowohl die finanziellen Mittel seine Familie, als auch seine Position in der Politik für seinen Erfolg in der Wissenschaft ausschlaggebend – und das kann nicht gerecht sein. Dreht man argumentativ den Spieß um, heißt das aber eben auch nicht, dass zu Guttenberg, weil er ein schlechter Wissenschaftler ist auch ein schlechter Politiker sein muss.

Ob zu Guttenberg wirklich gelogen hat, oder sich rhetorisch am seidenen Faden entlang gehangelt hat, darüber kann jeder sein eigenes Urteil fällen. Jedoch sagte er gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Dem Ergebnis der jetzt dort erfolgenden Prüfung sehe ich mit großer Gelassenheit entgegen. Ich habe die Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen angefertigt.“ – Was auch immer sein bestes Wissen und Gewissen sein mag. Dafür haben wir Institutionen mit den dazu gehörigen Experten, die das für uns klären.

Geißler als Aufklärer?

April 6, 2011

Auklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit – schrieb der königsberger Philosoph Immanuel Kant, vor ein paar hunder Jahren.

Heiner Geißler, der sich dazu bereit erklärt hat, die Schlichtungsgespräche zwischen den Fronten im Stuttgart 21 Disput zu übernehmen, beruft sich auf diesen Denker. Geißler ist der Meinung, dass man mit der Umsetzung von Großprojekten wie Stuttgart 21 nicht mehr vorgehen kann wie vor 20 Jahren. Bestimmt hat er gewissermaßen Recht, dass etwas schief gelaufen ist, die Eskalationen sprechen dafür. Um dem „Zeitalter der Mediendemokratie“ gerecht zu werden sollte mit öffentlichen Sitzungen Neuland betreten werden und „ein noch die dagewesenes Experimnet begonnen“ werden.

Grundsätzlich lässt sich dagegen nicht viel einwenden. Was aber nach längerem reflektieren wirklich stuzig macht ist dies:

„Was wir hier machen ist Aufklärung im Sinne von Kant“, sagt Geißler. Die öffentliche Debatte kann dafür „sorgen, dass die interessierte Bevölkerung in der Lage ist, selbstständig zu denken, sich aus der eigenen Unmündigkeit zu befreien“.

Grundsätzlich ist das, aus demokratischer Sicht, auf den ersten Blick eine begrüßenswerte Idee. Jeder interessierte Bürger, der über Internet oder TV verfügt, kann sich nun live über Zahlen, Fakten und Argumentationen der Pro- und Contrafraktionen informieren und danach, ausgehend von einem fachlich kompetentem Fundament, seine eigene Meinung arretieren.

Basierend auf diesen Aussagen tun sich nun Probleme verschiedener Art auf:

1. Wie kann eine öffentliche Debatte dafür sorgen, dass die Bevölkerung in der Lage ist selbstständig zu denken? Selbstständiges Denken kann man bis zu einem gewissen Grad lernen. So viel ist sicher. Kinder können zum Selbstständigen Denken erzogen werden, auch wenn das oft nicht wirklich erwünscht scheint. Für ihre Mitmenschen ist es wesentlich anstrengender und mühsamer jemanden um sich zu haben, der unangenehme Fragen stellt oder sogar aufmüpfig ist – aber das ist ja eigentlich nicht das Thema. Sondern: wie schafft es eine Debatte um einen Bahnhof, dass jemand selbstständig denkt? Also was macht denn diese Debatte mit der Nachbarin, die alles mitverfolgt, weil ihr Sohn demonstrieren geht? Warum sollte sie denn jetzt auf einmal ihre Denkmuster ändern? Und was ist, wenn sie vorher schon selbstständig gedacht hat? Was wäre denn, wenn die ganze Bevölkerung bereits selbstständig gedacht hätte? Oder zumindest diejenigen, die an der Debatte interessiert sind? Wäre das nicht wesentlich wahrscheinlicher? Also ich für meinen Teil halte mich für einen durchaus selbstständig denkenden Menschen und empfinde es fast als eine Unverschämtheit, dass Herr Geißler das ja doch irgendwie leugnet.

2. Stellt sich die Frage, ob die Idee der öffentlichen Debatte nicht doch etwas mit einem diffusen und unguten Gefühl zu tun hat, dass die Geschehnisse um Ex-Bundespräsident Köhler hinterlassen hat. Vielleicht ist der Hintergrund doch eher der, dass die Verantwortlichen, die Investoren und die involvierten Machthaber Angst hatten. Harald Welzer (Sozialpsychologe) erklärte  gegenüber der TAZ folgendes:

„Ich sehe nur: An verschiedenen Stellen unserer Republik regt sich Protest dagegen, sich Entscheidungen aufoktroyieren zu lassen, die man als Teil des politischen Gemeinwesen nicht zu tragen bereit ist.“

Angenommen Welzer hat Recht, dann würde das aber bedeuten, dass die Bevölkerung keineswegs aus ihrer Unmündigkeit befreit werden muss, sondern viel mehr, dass man die Flucht nach vorne Antritt. Entwaffnende Ehrlichkeit? – Oder ist das bestenfalls positiv utopisches Denken? Wie auch immer man die letzten Wahlen in Baden Württemberg bewerten will, das Ergebnis spricht – trotz anderer Implikationen – wohl für sich.

Was ist denn bitte Leitkultur?

Oktober 17, 2010

Im politischen Diskurs der letzten Jahre begegnet einem häufig das Wort Leitkultur. In den meisten Fällen in Kontexten die direkten Bezug zum Islam haben – die Kopftuchdebatte, das Kreuzverbot in bayrischen Klassenzimmern und bei den Diskussionen um Moscheen und Minarette. Dabei wird deutlich, dass die Menschen offenbar Angst davor haben, zu vielen Elementen einer anderen – fremden – Kultur im öffentlichen Leben zu begegnen und das Typische und Tradierte der Regionen in den Hintergrund tritt.

Das Verwunderliche an der Sache ist bei genauerer Betrachtung aber, dass Anleihen aus anderen Kulturen, wie z.B. der angloamerikanischen, ohne Murren übernommen werden und die Menschen dies entweder garnicht merken, oder als positiv bewerten. So sind wir alle mit Weihnachtsmännern aus Schokolade aufgewachsen und jeder weiß wann Halloween ist, aber mit der Frage nach Allerheiligen sind wir überfordert. Noch vor 30 Jahren wäre es im katholischen Bayern undenkbar gewesen am Abend vor Allerheiligen eine Art Fasching zu feiern und in einigen überwiegend protestantischen Bundesländern wird dadurch der Reformationstag verdrängt. Beide – Allerheiligen und der Reformationstag – sind aber doch, betrachtet man die kulturelle Entwicklung  Mitteleuropas in den letzen Jahrhunderten, sehr wohl wichtige Bestandteile der hiesigen Leitkultur (Diese Feiertage sollen nur exemplarisch zur Verdeutlichung dienen, man könnte an dieser Stelle wesentlich mehr aufzählen).

Insofern stellt sich die Frage, was denn eigentlich diese Leitkultur ist, die vordergründig – vor allem gegen den Islam – so vehement verteidigt werden muss, aber an anderer Stelle schleichend verschwindet und diese Entwicklung von vielen als positiv empfunden wird. Kann es nicht sein, dass es sich dabei – nüchtern betrachtet – einfach um Modeerscheinungen handelt? Kulturen, sind ja grundsätzlich keine statischen Gegebenheiten, sondern eigentlich ist es eines ihrer entscheidenden Merkmale, dass sie einem ständigen Prozess der Veränderung und Entwicklung unterliegen. Oder nicht?

Stuttgart 21 und der Widerstand gegen die Polizeigewalt…

Oktober 14, 2010

Berlin (dpa) – Widerstand gegen Polizisten soll künftig härter bestraft werden. Das Bundeskabinett will heute einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg bringen. Er sieht vor, dass der Strafrahmen von zwei auf drei Jahre Haft angehoben wird. Widerstand gegen einen Polizisten liegt beispielsweise dann vor, wenn ein Demonstrant sich bei einer Festnahme aus dem Griff des Polizisten losreißt, ohne den Beamten dabei zu verletzen.

Die Kontroverse über den Neubau des Stuttgarter Bahnhofs statuiert für den interessierten Beobachter inzwischen schon fast ein Exempel, in wie viele Bereiche des öffentlichen Lebens ein solches Projekt eingreift und auf welchen Wegen die Verantwortlichen versuchen diverse Probleme zu umgehen. Die Folgen, die daraus resultieren, betreffen – leider – schon lange nicht mehr die Frage, ob die Stuttgarter diesen Bahnhof wollen oder nicht, oder ob es eventuell sogar andere Bauten gefährdet – das Kölner Stadtarchiv kann dazu ja nichts mehr sagen. Dass Kostenvoranschläge für solche Vorhaben, verglichen mit den tatsächlichen Ausgaben eher imaginär erscheinen, daran hat sich die Öffentlichkeit sowieso schon gewöhnt und der Juchtenkäfer wird wahrscheinlich auch nicht demonstrieren gehen, weil er im Schlossgarten nicht mehr residieren darf. Immerhin muss die Bahn ja die Gerichtskosten übernehmen, nach dem sie dem Verwaltungsgericht Stuttgart für das Eilverfahren ein Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes vorenthalten hat, demzufolge das Roden bis zur Vorlage der Artenschutz-Pläne warten hätte müssen…

Die Liste der Pros und Kontras, der Anschuldigungen und der Rechtfertigungen rund um Stuttgart 21 scheint schier unendlich. Wirklich bedenklich ist aber der Umgang mit der Gewalteskalation am 30. September 2010. Eine genehmigte Schülerdemonstration verlagert sich in den Schlossgarten um vor Ort auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Schon an diesem Punkt ist sich die Berichterstattung nicht ganz einig –  ein Abweichen von der genehmigten Route sagen die einen, ab 14:00 Uhr im Schlossgarten genehmigt die anderen. Wie auch immer: Den Angaben der Polizei zufolge gab es 116 Verletze (andere Quellen schreiben von bis zu 400) und beim Bundesligaspiel am Sonntag konnte jeder – ob er wollte oder nicht – auf einem großen Banner lesen: „Wenn Polizisten Kinder schlagen, zeigt der Staat sein wahres Gesicht“, … und der SWR berichtet:

„Dass die eigenen Kräfte aus Angst um Indiskretionen nicht informiert worden seien, passe zur Geheimhaltungstaktik des Polizeipräsidenten beim Thema Stuttgart 21, heißt es im Präsidium.“

Rund um eine gelungene Aktion. Die Meinung des Betrachters variiert, je nach dem welche Informationen man gerade bekommt. Schlägt man die Tageszeitung auf, wird man beim Frühstück von dem geschundenen Gesicht eines harmlos wirkenden Rentners begrüßt, der sein Augenlicht dank Wasserwerfern eingebüßt hat und merkt, wie in einem selbst leise Aggressionen gegen die Staatsgewalt aufsteigen. Andererseits wird einem von Seiten des Staates durchaus glaubhaft versichert, dass die Demonstranten durch ihr Verhalten den Beamten keine Wahl ließen. Zudem ist es kein Geheimnis, dass Stellenabbau, Personalmangel, schlechte Ausrüstung und in diesem Fall eine nicht ausreichende Kommunikationsstrategie die Arbeit der Gesetzeshüter immens erschweren.

Aber: Gott sei dank! Unserer Politik findet selbst in solch einem Debakel eine schnelle Lösung. Was letztendlich das Problem ist – DAS müssen wir nicht wissen. Warum so viele Menschen verletzt worden sind (darunter übrigens auch Beamte der Polizei) ist eher nebensächlich und außer den Grünen, die im baden-württembergischen Landtag einen Untersuchungsausschuss fordern, scheint es die meisten ja auch nicht zu interessieren – warum auch? Das Kabinett ist doch schon fertig! Wir nehmen einfach ein bisschen Recht von den Bürgern und geben es der Staatsgewalt. Geht schnell und kostet nichts. Außer natürlich die bösen Polizisten schlagen tatsächlich mal über die Stränge. Dass das nicht im Bereich des Möglichen liegt, wissen wir ja spätestens seit den Schwabinger-Krawallen.

Trotzdem bleibt es schleierhaft, inwiefern dieses neue Gesetz der Polizei ihre Arbeit erleichtern soll und wie es genau dazu beiträgt, Gewalteskalationen zwischen Bürgern und Polizei in Zukunft einzudämmen. Aber wahrscheinlich fehlt einem dazu ja nur die nötige Bildung und vor allem der Einblick in die relevanten Sachverhalte.

Insofern wäre es doch eine alternative Lösung Demonstrationen grundsätzlich zu verbieten – es gibt ja schließlich genug Länder in welchen man die Chance hat ohne das Recht der Versammlungsfreiheit zu überleben – und für den Fall der Fälle könnte man dann ja auch einfach das Militär einschalten, um die Polizei aus der Schusslinie zu nehmen.